Impfschutz bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen
Der Begriff Rheuma ist den meisten Menschen bekannt. Nur wenige wissen allerdings, dass unter dem Dach dieses Begriffs mittlerweile ca. 400 einzelne Erkrankungen zusammengefasst werden.
Eine von insgesamt vier Rheuma-Hauptgruppen bilden entzündlich-rheumatische Erkrankungen wie zum Beispiel rheumatoide Arthritis oder Morbus Bechterew. Krankheitsbilder dieser Gruppe sind durch ein Ungleichgewicht des Immunsystems und chronische Entzündungsprozesse gekennzeichnet. In vielen Fällen ist die entzündliche Erkrankung mit starken Schmerzen verbunden. Die Symptome reichen dabei von anhaltender Morgensteifigkeit über schmerzende und geschwollene Gelenke bis hin zu starker Bewegungseinschränkung. Hinzu kommen nicht selten Herz-Kreislauf-Erkrankungen, ständige Erschöpfung und Müdigkeit sowie Fieber und Augenentzündung. In der Behandlung entzündlich-rheumatischer Erkrankungen spielen vor allem Therapien, die das Immunsystem unterdrücken und auf diese Weise Entzündungsprozesse verhindern, eine wichtige Rolle. Damit verbunden ist jedoch auch eine erhöhte Anfälligkeit für Infekte wie Lungenentzündung, Grippe oder weitere ernstzunehmende Erkrankungen. Ein umfassender Impfschutz, zum Beispiel gegen Pneumokokken (Lungenentzündung) und Grippe (Influenza), ist für diese Patienten daher besonders wichtig. Hinzu kommt: Impfungen können Rheumatikern die Angst vor Begleitkrankheiten nehmen – das steigert die Lebensqualität und Lebensfreude.
Welchen Einfluss haben entzündlich-rheumatische Erkrankungen auf unser Immunsystem? Warum ist der Impfschutz für diese Patienten so wichtig?
In diesem Artikel:
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Die meistverbreiteten entzündlich-rheumatischen Erkrankungen
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Behandlung von entzündlich-rheumatischen Erkrankungen: mit Immunsuppressiva
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Entzündlich-rheumatische Erkrankungen: Infektanfälligkeit und Vorbeugung
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STIKO-Impfempfehlung für Menschen mit Rheuma
Die meistverbreiteten entzündlich-rheumatischen Erkrankungen
In Deutschland leiden rund 1,5 Millionen Menschen unter einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung.1 Zu dieser Rheuma-Hauptgruppe zählen unter anderem folgende Krankheitsbilder:
- rheumatoide Arthritis
- Spondylitis ancylosans (Morbus Bechterew)
- Psoriasis-Arthritis
- Kollagenosen (z. B. Lupus erythematodes)
Krankheitsbilder dieser Gruppe zeichnen sich nicht nur durch Entzündungen einzelner oder mehrerer Gelenke aus, es handelt sich vielmehr um Systemerkrankungen, die nahezu alle Organsysteme in Mitleidenschaft ziehen können. Häufig zeigen die Betroffenen auch allgemeine Krankheitssymptome und sind leistungseingeschränkt – ein Zeichen dafür, dass der Entzündungsprozess den gesamten Körper beeinträchtigt. Bei allen Erscheinungsformen handelt es sich um sogenannte Autoimmunerkrankungen. Das heißt, das Immunsystem greift körpereigene Substanzen, zum Beispiel den Gelenkknorpel, an und verursacht Entzündungen.
Rheumatoide Arthritis
Im Falle der rheumatoiden Arthritis entstehen chronische Entzündungen der Gelenkschleimhaut. Die Folgen sind Wucherungen – sogenanntes Pannusgewebe – die Knorpel und Gelenk überwachsen, und letztlich die Zerstörung von Knorpel und Gelenk. Mit fortschreitender Krankheit sind Patienten von Funktionseinschränkungen und dauerhaften Deformationen der Gelenke betroffen. Meist beginnend mit Finger- und Zehengelenken, können über einen Zeitraum von Wochen und Monaten immer mehr Gelenke erkranken.
Hinzu kommen Sehnenscheiden, Wirbelsäule und Schleimbeutel. Bei schweren Verläufen können auch andere Organe, wie Gefäße oder Herz, beteiligt sein. Die Verlaufsformen einer rheumatoiden Arthritis sind unterschiedlich, sie können schleichend, in Schüben oder auch akut erfolgen.
Psoriasis-Arthritis
Die Psoriasis-Arthritis – die Schuppenflechten-Arthritis – ist eine rheumatische Form der Schuppenflechte. Meist erkrankt der Patient zunächst an einer Schuppenflechte. Bei dieser Autoimmunerkrankung der Haut greift das Immunsystem körpereigne Hautzellen an. Dies führt zu Entzündungen und übermäßigem Wachstum der Hautzellen. Es entstehen die für die Erkrankung typischen geröteten, schuppenden Hautstellen.
Häufig betroffen sind beispielsweise die Außenseiten von Knie und Ellenbogen, die Kopfhaut oder auch die Nägel. Eine Psoriasis-Arthritis entwickeln etwa 20 Prozent der Patienten mit Schuppenflechte.4 Hier sind meist die kleinen Gelenke der Finger und der Zehen entzündet, doch auch die Beteiligung großer Gelenke gehört zum Krankheitsbild.
Behandlung von entzündlich-rheumatischen Erkrankungen: mit Immunsuppressiva
Entzündlich-rheumatische Erkrankungen: Infektanfälligkeit und Vorbeugung
Menschen, die an einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung leiden, sind sowohl aufgrund ihrer krankheits-typischen Störung des Immunsystems als auch aufgrund immunsuppressiver Therapien deutlich anfälliger für Infekte. So haben sie unter anderem ein erhöhtes Risiko an einer Pneumokokken-Infektion zu erkranken. Pneumokokken-Bakterien lösen Krankheiten wie Lungenentzündung, Blutvergiftung oder Hirnhautentzündung aus. Patienten mit rheumatoider Arthritis zum Beispiel haben ein durchschnittlich 2,6-fach so hohes Risiko für eine Pneumokokken-Infektion wie gesunde Menschen.5 Hinzu kommt: Die Immunsuppression verstärkt die Gefahr schwerer Krankheitsverläufe.6
Pneumokokken-Impfung bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen
Aus dem Grund empfiehlt die STIKO (Ständige Impfkommission) Menschen, die aufgrund einer entzündlich rheumatischen Erkrankung eine immunsuppressive Therapie erhalten, eine sequenzielle Impfung gegen Pneumokokken.7 Bei einer sequenziellen Impfung werden innerhalb eines bestimmten Zeitraums mehrere Impfungen verabreicht, um den Impferfolg vollständig und über einen möglichst langen Zeitraum zu gewährleisten. Eine sequenzielle Pneumokokken-Impfung erfordert zwei Impfungen im Abstand von sechs bis zwölf Monaten.7 Die gesetzlichen Krankenkassen erstatten diese Impfungen.8
Impfplanung für Menschen mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen
Für Menschen mit Rheuma ist ein umfassender Impfschutz besonders wichtig. Patienten sollten daher gemeinsam mit ihrem behandelnden Haus- oder Facharzt regelmäßig ihren Impfstatus abklären und einen individuellen Impfplan erstellen.
Für die Planung einer individuellen Impfstrategie sollten Patient und Arzt folgende Themen berücksichtigen:
- allgemeiner Gesundheitszustand
- Impfstatus laut Impfpass
- rechtzeitige Planung notwendiger Impfmaßnahmen im Vorfeld einer immunsuppressiven Therapie
- sofern angezeigt, Kontrolle der Antikörper-Konzentrationen im Blut (Titerkontrolle) hinsichtlich relevanter Infektionskrankheiten – auch zur Kontrolle des Impferfolgs
- Lebensumstände des Patienten, die ein erhöhtes Infektionsrisiko bergen, zum Beispiel medizinischer Beruf, geplante Reisen oder erkrankte nahestehende Personen
Die STIKO empfiehlt Menschen mit Immunsuppression neben der Impfung gegen Pneumokokken auch Impfungen gegen Grippe (Influenza), Hepatitis B, Herpes Zoster und gegen Meningokokken. In Abhängigkeit von Gesundheitszustand und Lebensumständen des Patienten sind zudem weitere Impfungen angezeigt.
Hier erfahren Sie mehr über die Impfempfehlungen der STIKO für Menschen mit einer Immunschwäche.
Quellen:
1 Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie, Rheuma in Zahlen (letzter Zugriff am: 19.04.2023)
2 Psoriasis – New Insights Into Pathogenesis and Treatment Dtsch Arzteblatt Int 2009; 106(1–2): 11–9; DOI: 10.3238/arztebl.2009.0011 Mrowietz, U; Reich, K.
3 Pelton, S. I. et al. Rates of pneumonia among children and adults with chronic medical conditions in Germany. BMC Infect. Dis. 15, 470 (2015)
4 Ewig S et al. Intensive Care Med 2011, 37:214–23
5 Robert Koch-Institut, Epidemiologisches Bulletin 34/20, (letzter Zugriff am: 19.04.2023)
6 Gemeinsamer Bundesausschuss, Schutzimpfungs-Richtlinie (letzter Zugriff am: 19.04.2023)