Impfschutz bei chronischer Niereninsuffizienz
In Deutschland gehen etwa 80.000 Patienten regelmäßig zur Dialyse. Die meisten dieser Menschen leiden an einer chronischen Niereninsuffizienz im Endstadium1 – ohne eine regelmäßige Blutwäsche könnten sie nicht überleben.
Zu den häufigsten Ursachen für diese fortschreitende Nierenerkrankung zählen Diabetes mellitus, Bluthochdruck und Entzündungen der Niere. Doch auch einige Autoimmunerkrankungen können die Nieren mit beeinträchtigen. Das chronische Nierenversagen kann sich über mehrere Monate bis Jahre entwickeln und wird in den ersten Stadien oft gar nicht entdeckt. Meist machen sich die erheblichen Funktionsstörungen der geschädigten Nieren erst in den letzten Stadien bemerkbar. In diesen Phasen kommt es auch zu einer Schwächung des Immunsystems. Die Patienten haben ein deutlich erhöhtes Risiko, an Infektionen wie Lungenentzündung, Grippe oder weiteren ernstzunehmenden Infekten zu erkranken. Ein umfassender Impfschutz, zum Beispiel auch gegen Pneumokokken (Lungenentzündung) oder Grippe (Influenza), ist für sie daher besonders wichtig. Hinzu kommt: Impfungen können Menschen mit chronischem Nierenversagen die Angst vor zusätzlichen Krankheiten nehmen – das steigert die Lebensqualität und Lebensfreude.
Welchen Einfluss hat eine chronische Niereninsuffizienz auf unser Immunsystem? Warum ist der Impfschutz für Patienten mit dieser Nierenerkrankung so wichtig?
In diesem Artikel:
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Chronische Niereninsuffizienz und Einfluss auf das Immunsystem
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Folgen von Nierenversagen: Infektanfälligkeit und Vorbeugung
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Impfplanung für Menschen mit Niereninsuffizienz
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STIKO-Impfempfehlung für Menschen mit Nierenschwäche
Chronische Niereninsuffizienz und Einfluss auf das Immunsystem
Die Nieren haben verschiedene für den Körper lebenswichtige Funktionen. Zu den wichtigsten Aufgaben gehört die Entgiftung des Körpers. In den sogenannten Nephronen – den Filtersystemen der Nieren – wird Wasser inklusive unerwünschter Stoffe aus dem Blut gefiltert. Dies ist der sogenannte Primärharn. Gesunde Nieren eines Erwachsenen bilden etwa 180 Liter Primärharn pro Tag.2 Der Großteil gelangt jedoch nach der Filterung wieder zurück ins Blut.
Lediglich 2 bis 3 Liter landen als abbauprodukthaltiges Urin in der Blase. Diese Filtrationsleistung – also die Rate der Filtration vom Blut zum Primärharn – dient als wichtiger Indikator für die Diagnose einer chronischen Niereninsuffizienz.
Eine chronische Niereninsuffizienz verläuft in der Regel in fünf Stadien. Mit jedem Stadium sinkt die Filtrationsfähigkeit der Nieren. Insbesondere in den beiden letzten Stadien, dem sogenannten präterminalen Stadium (4) und dem terminalen Stadium (5), kommt es zu erheblichen Funktionseinschränkungen der lebenswichtigen Organe. Die Nieren sind nicht mehr in der Lage, ausreichend Blut zu filtern, die Filtrationsrate sinkt dramatisch – im terminalen Stadium auf unter 15 Milliliter pro Minute (Durchschnitt für gesunde Nieren sind 120 Milliliter pro Minute). Die Folgen sind weitreichend: Terminales Nierenversagen ist durch einen systemischen Entzündungsprozess gekennzeichnet und kann zu Atherosklerose, kardiovaskulären Erkrankungen, Anämie und extremem Kräfteverfall führen. Vor allem aber kommt es in dieser Phase zu einer Urämie, einer Harnvergiftung, die typischerweise auch eine Immunschwäche auslöst.
In diesen beiden letzten Stadien der chronischen Niereninsuffizienz sind sogenannte Nierenersatztherapien dringend erforderlich. Zu diesen Behandlungen gehört die regelmäßige Dialyse (Blutwäsche) oder als letzte, lebensrettende Option eine Nierentransplantation. Ohne jegliche Behandlung führt eine chronische Niereninsuffizienz zum Tod.
Folgen von Nierenversagen: Infektanfälligkeit und Vorbeugung
Menschen, die an präterminalem oder terminalem Nierenversagen leiden, sind aufgrund der Urämie-bedingten Immunschwäche deutlich anfälliger für schwere Infekte. So haben sie zum Beispiel ein erhöhtes Risiko, an einer Pneumokokken-Infektion zu erkranken. Pneumokokken-Bakterien lösen Krankheiten wie Lungenentzündung, Blutvergiftung oder Hirnhautentzündung aus. Patienten mit chronischem Nierenversagen haben ein durchschnittlich 5,4-fach so hohes Risiko für eine Lungenentzündung wie Menschen ohne eine Immunschwäche.3 Hinzu kommt: Die Immunschwäche verstärkt die Gefahr schwerer Krankheitsverläufe.
Impfung gegen Pneumokokken
Aus dem Grund empfiehlt die STIKO (Ständige Impfkommission) Menschen mit einer Immunschwäche bei chronischem Nierenversagen eine sequenzielle Impfung gegen Pneumokokken.4 Sequenziell bedeutet, dass innerhalb eines bestimmten Zeitraums mehrere Impfungen verabreicht werden, um den Impferfolg vollständig und über einen möglichst langen Zeitraum zu gewährleisten. Eine sequenzielle Pneumokokken-Impfung erfordert zwei Impfungen im Abstand von sechs bis zwölf Monaten.4 Diese Indikationsimpfungen werden von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet.5
Impfplanung für Menschen mit Niereninsuffizienz
Grundsätzlich ist ein umfassender Impfschutz für Menschen mit chronischer Niereninsuffizienz besonders wichtig. Gemeinsam mit ihrem behandelnden Haus- oder Facharzt sollten Patienten regelmäßig ihren Impfstatus abklären und einen Impfplan erstellen.
Generell sollten für die Planung einer individuellen Impfstrategie im Patienten-Arzt-Gespräch unter anderem folgende Punkte berücksichtigt werden:
- allgemeiner Gesundheitszustand
- Impfstatus laut Impfpass
- derzeitiger individueller Behandlungs- und Dialyseplan
- eine unter Umständen anstehende Organtransplantation,
- sofern angezeigt, Kontrolle der Antikörper-Konzentrationen im Blut (Titerkontrolle) hinsichtlich relevanter Infektionskrankheiten
- Lebensumstände des Patienten, die ein erhöhtes Infektionsrisiko bergen, zum Beispiel medizinischer Beruf, geplante Reisen oder erkrankte nahestehende Personen
Die STIKO empfiehlt Menschen mit chronischen Nierenschinsuffizienz neben der Impfung gegen Pneumokokken auch Impfungen gegen Grippe (Influenza), Herpes Zoster und gegen Hepatitis B. In Abhängigkeit von Gesundheitszustand und Lebensumständen des Patienten sind zudem weitere Impfungen empfohlen.
Hier erfahren Sie mehr über die Impfempfehlungen der STIKO für Menschen mit einer Immunschwäche.
Quellen:
1 Aerzteblatt.de, Prävalenz der eingeschränkten Nierenfunktion (letzter Zugriff am: 19.04.2023)
2 UniversitätsKlinikum Heidelberg, Die Nieren: Funktion / Lage (letzter Zugriff am: 19.04.2023)
3 Pelton, S. I. et al. BMC Infect. Dis. 15, 470 (2015)
4 Robert Koch-Institut, Epidemiologisches Bulletin 34/20, (letzter Zugriff am: 19.04.2023)
5 Gemeinsamer Bundesausschuss, Schutzimpfungs-Richtlinie (letzter Zugriff am: 19.04.2023)